17. März 2023
von Manfred Loimeier
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Angélique Kidjo singt Chansons im BASF-Feierabendhaus Ludwigshafen und beeindruckt mit ihrer gewaltigen Stimme

Singen kann sie, das steht jedenfalls außer Frage. Und ihre Wege durch die Musikkulturen der Welt – Afro-Pop, US-Jazz, Salsa und Calypso aus Brasilien, Haiti und Kuba – haben die 1960 in Benin geborene experimentierfreudige Vokalistin Angélique Kidjo nun zum französischen Chanson geführt.
Das ist eigentlich nicht verwunderlich, ist Kidjo doch schon seit 1983, dem Beginn ihres Musikstudiums in Paris, in Frankreich zu Hause. Und doch überrascht vor dem Hintergrund der bisherigen rhythmusbetonten und lebenslustigen Stile diese Hinwendung zu den eher leiseren, melancholischen und nicht selten in wehmütigem Moll gehaltenen Tönen etwas.
Kidjo erklärt das zum Auftakt ihres gemeinsamen Konzertes mit dem Pianisten Alexandre Tharaud im nahezu voll besetzten BASF-Feierabendhaus Ludwigshafen mit dem Ende der Pandemie. Jetzt, nach dem Ende der Corona-Beschränkungen, sei es endlich an der Zeit, sich wieder an zwischenmenschliche Präsenz und physische Begegnung zu erinnern, an persönliches Aufeinandertreffen und an die entsprechende Wiederentdeckung der Liebe.

Der Traum von Liebe
„Les mots d’amour“, die Worte der Liebe, lautet das Konzertmotto deshalb, und weniger begleitet, sondern vielmehr mitgetragen von dem stürmisch aufspielenden Tharaud singt Kidjo Werke der französischen Liedkultur. Bekannte und weniger bekannte Chansons sind darunter, von Josephine Baker, Georges Brassens und Serge Gainsbourg, von Dominique Ané, Pierre Lapointe oder Claude Nougaro. Blöde nur, dass diese Chansons, die doch zur Wiederentdeckung der Liebe führen sollen, meist wehmütig von ihrem Scheitern sprechen, so explizit in Brassens’ „Il n’y a pas d’amour heureux“ (Es gibt keine glückliche Liebe).
Amour, retour und attendre sind daher die am häufigsten wiederkehrenden Wörter, die vom Warten auf die Rückkehr einer verlorengegangenen Liebe künden, wie in Louis Poterats und Dino Olivieris „J’attendrai“ (Ich werde warten) oder in Alain Bashungs und Pierre Grillets „Madame réve“ (Madame träumt). Dass das deprimierendste Lied des Abends, das vom Les-Rita-Mitsouko-Duo Catherine Ringer und Frédéric Chichin geschriebene „Les histoires d’amour finissent mal en général“ (Die Liebesgeschichten enden gewöhnlich schlecht), von Kidjo und Tharaud als Sprechgesang im Rap-Rhythmus dargeboten wird, ist da ein willkommen ansprechender Lichtblick.
Obwohl, am allerdeprimierendsten wirkt die in Lapointes „Maman, Papa“ aus Kinderperspektive geschilderte Entfremdung und gegenseitige Schikane eines Elternpaares, das ist schon hart. Da tut es gut, wenn Tharaud bisweilen buchstäblich in die Tasten haut und beispielsweise den Chanson zuvor, der von im Wasser tanzenden Fischen und in der Luft flatternden Schmetterlingen handelt, mit flirrenden Pianotrillern aufhellt.

Kraftvolle Zugaben
Dass derlei Lieder aber nicht nur auf der persönlich-emotionalen, sondern auch auf der gesellschaftlich-sozialen Ebene wirken, erklärt Kidjo selber, als sie die augenblickliche Immigrationspolitik kritisiert und von ihrer eigenen Abreise aus Benin und dem Zurücklassen ihrer Familie spricht. Wir Menschen seien alle nur Immigranten auf dieser Erde, sagt Kidjo und leitet damit über zu Pierre Perrets „Lily“, dem Lied über eine Immigrantin aus Somalia, die sich in Paris aus Abfalleimern ernährt.
Aufbauend sind dann allein die als drei Zugaben gespielten Klassiker, mit denen Kidjo und Tharaud auf 90 Konzertminuten kommen. Edith Piafs „Padam, Padam“ – komponiert von Norbert Glanzberg und Henri Contet – und Piafs „La Vie en Rose“ sind diese Titel, mit denen Kidjo ihre Stimmgewalt ausspielt und den großen „Spatz von Paris“ sogar noch übertönt.
Dass Angélique Kidjo dann das Friedenslied „Göttingen“ von Barbara teils sogar auf Deutsch singt – erst zum zweiten Mal in ihrer Karriere, trotz Dresden oder Hamburg als vorhergegangener Stationen ihrer Tournee –, ist selbstverständlich ein ganz besonderer, berührender Höhepunkt.
Das zuletzt in ihrer zweiten Heimatsprache Yoruba (neben Fon) und zu Johann Sebastian Bachs barocker Kunst der Fuge leise gesungene „Aïsha“ von Kidjos 2010 erschienenem Album „Õyo“ unterstreicht zuletzt die Vertrautheit der Sängerin mit den Musikkulturen der Welt sowie die Besinnlichkeit des Abends.