17. August 2019
von Manfred Loimeier
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Bénédicte Savoy und Felwine Sarr zur Rückgabe kolonialer Kulturgüter

Die Heimat von Kunstwerken

Bereits im Jahr 1981 plädierte „die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Hildegard Hamm-Brücher, für eine ,großzügige‘ Handhabung der Restitutionsfrage“, Das betonen die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und der Wirtschaftswissenschaftler Felwine Sarr in ihrem Buch „Zurückgeben. Über die Restitution afrikanischer Kulturgüter“. Es ist eine gekürzte Fassung des Berichts, den sie im Auftrag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron verfassten, nachdem dieser im März 2018 eine Rückgabe afrikanischer Kulturgüter angekündigt hatte.

Geschehen ist seither nichts, und das liegt ganz in der Tradition dieser Debatte, die, wie die beiden Autoren zeigen, in Frankreich schon seit Beginn der 1930er Jahren geführt wird und Ende der 1960er Jahre bereits einmal wieder aufgeflammt war. Der Bericht von Savoy und Sarr ist in vier Teile gegliedert: die Geschichte der Rückgabedebatte; der von Rückgaben betroffene Bereich, der nicht nur Museen, sondern vielmehr auch Archive betrifft; die Erstellung von Inventarlisten, die bisweilen sehr willkürlich geführt wurden; und die Abwicklung einer Rückgabe in beiderseitigem Einvernehmen.

Savoy und Sarr beschreiben diese Punkte klar und präzise, benennen Schwierigkeiten und weisen Lösungsmöglichkeiten auf. Demnach sind Museen in afrikanischen Ländern durchaus in einem besseren Zustand, als dies hierzulande derzeit angenommen wird. Savoy und Sarr sind aber auch konziliant dahingehend, dass nicht partout jedes fremdländische Objekt zurückzugeben ist. Hier benennen sie konkret, nach welchen Kriterien eine Auswahl getroffen werden könnte und wer diese Kriterien zu erarbeiten hat.

Was durch ihren Bericht offenkundig wird, ist aber vielmehr, dass Museen generell ihre Konzepte des Aufbewahrens und Zeigens zu überprüfen haben. Denn es nicht nur um ihre konkreten Bestände, sondern auch um ihre Lücken. Was also zeigen Museen nicht, wo sind Leerstellen? Dass in deutschen Völkerkundemuseen ethnologische Objekte zu sehen sind, ist mithin die eine Sache, dass in deutschen historischen Museen die Kolonialzeit in der Regel fehlt, eine andere. Und auch mit der Rückgabe von Kulturgütern wird es nicht getan sein, denn sie sind nicht mehr, was sie ursprünglich waren, sondern erzählen unweigerlich auch die Geschichte ihrer Inbesitznahme.

Savoys und Sarrs Bericht „Zurückgeben“ ist mithin eine inspirierende Lektüre, die über die bloße Frage der Rückgabe von Kulturobjekten hinausweist. Er verdeutlicht, dass es um eine Auseinandersetzung mit Geschichte geht und auch damit, wie Geschichte gezeigt und vermittelt wird. Damit wächst das Thema über seinen zunächst eng gesetzten Rahmen hinaus und ermöglicht eine Ahnung davon, wie präsent und zukunftsweisend die Auseinandersetzung mit Vergangenheit nicht nur sein kann, sondern durchaus auch sein sollte.

Bénédicte Savoy, Felwine Sarr: Zurückgeben. Über die Restitution afrikanischer Kulturgüter. Aus dem Französischen von Daniel Fastner. Matthes & Seitz Verlag, Berlin, 224 Seiten, 18 Euro