08. November 2020
von Manfred Loimeier
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„Der siebte Sinn ist der Schlaf“ von Wilma Stockenström

Afrika wird neuerdings wachsendes Interesse entgegengebracht, sei es aufgrund der Debatten um Kolonialvergangenheit, Rassismus oder wegen einer zunehmend globalisierten Lebensweise. Entsprechend zeigen sich mehr und mehr Verlage in Deutschland aufgeschlossen für Publikationen afrikanischer Autoren, und neben dem Aufbau Verlag ist dies der Wagenbach-Verlag, der dabei durchaus innovativ vorgeht.

Nun hat sich der in Berlin ansässige Verlag die Rechte an einem Buch gesichert, das erstmals 1987 in der Schweiz und im Jahr darauf als Lizenzausgabe in der DDR erschien. Es handelt sich um den sprachlich ungemein dichten Roman „Der siebte Sinn ist der Schlaf“ (155 Seiten, Wagenbach) der afrikaansen Schriftstellerin Wilma Stockenström, einer Schauspielerin und Übersetzerin, die Gedichte, Theaterstücke, Erzählungen und Romane schrieb und 1981 mit „Der siebte Sinn ist der Schlaf“ ein einzigartig poetisches Prosawerk veröffentlichte.

1983 folgte die englischsprachige Übersetzung – und zwar von niemand Geringerem als dem späteren Literaturnobelpreisgewinner J.M. Coetzee, versehen mit einem Nachwort des südafrikanischen Autors André Brink, der selbst zeitlebens als Anwärter auf den Nobelpreis galt. Als der Roman „Der siebte Sinn ist der Schlaf“ dann in deutschsprachiger Übersetzung publiziert wurde, erfolgte die Übersetzung aus dem Englischen Coetzees, und genau diese Übersetzung ist es auch, die der Wagenbach Verlag nun wieder aufgelegt und neu zugänglich gemacht hat.

Im Mittelpunkt des Erzählflusses steht eine ältere Frau, vormals Sklavin mehrerer Herren, die inzwischen allein im Inneren eines großen Baumes lebt und ihr Leben Revue passieren lässt. Von der Prunksucht ihres einen bis zur Abenteuersucht ihres anderen Besitzers, von der frühen Vergangenheit bis zur unmittelbaren Gegenwart reicht ihr Erinnerungsbogen, von Kolonialerfahrungen über Sklavenstreifzüge bis zu Expeditionen auf der Suche nach Handelswegen im südlichen Afrika. Allerdings handelt es sich dabei nicht um einen chronologisch-linearen Erzählverlauf, sondern die Erinnerungen überlagern und durchdringen einander und sind im Alltag der Protagonistin so präsent, als gäbe es keinen Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunf, zwischen Diesseits und Jenseits – so dass sie zuletzt auch ihrem Tod ganz nüchtern entgegensieht. Und so ist „Der siebte Sinn ist der Schlaf“ ein wunderbares und bezauberndes Buch, dessen Übersetzung durch Renate Stendhal noch immer ansprechend und fesselnd zu lesen ist.