08. November 2020
von Manfred Loimeier
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„Kollektive Amnäsie“ von Koleka Putuma

Gedichtbände sind noch immer schwer verkäuflich, insbesondere, wenn unbekannte Autoren sie verfasst haben. Allein das Konzept des Wunderhorn-Verlags, in seiner inzwischen zehnjährigen Afrika-Reihe jährlich auch einen Lyrikband zu veröffentlichen, ist daher schon sehr verdienstvoll, zumal es zum Poesie-Profil des Heidelberger Verlags passt. Und nun liegt mit dem Buch „Kollektive Amnesie“ der südafrikanischen Poetry Performerin Koleka Putuma noch dazu eine Gedichtesammlung vor, die über den geografischen Raum Südafrikas hinaus die Leserschaft anspricht.

Scheinen die Gedichte Putumas zunächst ihre Biografie zu begleiten, von Jugend über Pubertät zu Konflikten mit den Eltern, so werden sie bald zu Würdigungen des weiblichen Körpers und zu Verteidigungen einer Weltsicht, die man feministisch nennen mag, doch die schlicht Gleichberechtigung verlangt. Und da Putuma schon dabei ist, Autoritäten und hierarchische Strukturen zu hinterfragen, überprüft sie in ihrer Lyrik auch den Regelkanon von Religion sowie gesellschaftlichen Konventionen und Rollenzuweisung.

Putumas Sprache ist zart, nicht pamphletisch, ist fordernd, aber nicht destruktiv, ist zweifelnd, aber nicht irritierend. Einzelne Gedichte haften sich fest, geben Denkanstöße, klären Sichtweisen und sind dabei nicht konfrontativ, eher appellativ.

So ist das nun mal mit Gedichten: Sie wirken so kurz und verlangen dabei mehr Lektürezeit als manche Prosaseiten, sie scheinen so schnell dahingeschrieben und haken sich als nachhaltige Leseerfahrungen fest. Bei Koleka Putums Gedichten funktioniert das auch deshalb, weil sie mit Paul-Henri Campbell von einem englischsprachigen Autor übersetzt wurden, der seine eigene Poesie auf Deutsch schreibt. Auch das ist ja Konzept des Wunderhorn-Verlags, Lyrik von Lyrikern übertragen zu lassen. Und mit Koleka Putumas Band „Kollektive Amnesie“ geht dieses Konzept perfekt auf.